Neapolitanischen Namen: Tradition, Geschichte und Bedeutung
Die Namen Neapels erzählen die Geschichte einer faszinierenden Stadt, die seit Jahrtausenden ein Schmelztiegel verschiedener Kulturen ist. Von antiken griechischen Wurzeln über römische, normannische, aragonische bis hin zu bourbonischen Einflüssen – die Namenslandschaft Neapels spiegelt die reiche kulturelle Vielfalt dieser süditalienischen Metropole wider. In diesem Artikel tauchen wir ein in die Ursprünge, Bedeutungen und Besonderheiten der traditionellen Vor- und Familiennamen aus Neapel.
Die häufigsten Vornamen Neapels und ihre Bedeutung
Männliche Vornamen
Gennaro ist zweifellos einer der charakteristischsten Namen Neapels. Er leitet sich vom lateinischen "Januarius" ab und bezieht sich auf den Heiligen Januarius, den Schutzpatron der Stadt. Sein Blut, das dreimal jährlich in einer berühmten Zeremonie im Dom von Neapel verflüssigt wird, ist eines der bedeutendsten religiösen Wunder der Region.
Ciro gehört ebenfalls zu den typischsten neapolitanischen Namen. Er stammt vom persischen Namen "Kyros" ab, was "Sonne" oder "wie die Sonne" bedeutet. In der neapolitanischen Kultur ist er eng mit der lokalen Identität verbunden.
Salvatore ("Retter" oder "Erlöser" auf Lateinisch) ist ein weiterer beliebter Name mit starker religiöser Bedeutung, der die tiefe katholische Tradition der Region unterstreicht.
Weitere häufige männliche Vornamen sind Antonio (zu Ehren des Heiligen Antonius), Vincenzo (vom lateinischen "vincere" - siegen), Pasquale (bezogen auf Ostern, "Pasqua"), Raffaele (nach dem Erzengel Raphael) und Giuseppe (Josef).
Weibliche Vornamen
Bei den Frauen ist Maria mit Abstand der häufigste Vorname, oft in Kombination mit anderen Namen wie Maria Rosaria, Maria Carmela oder Maria Assunta – eine Tradition, die die tiefe Marienverehrung in der neapolitanischen Kultur widerspiegelt.
Carmela oder Carmelina sind ebenfalls sehr verbreitet und beziehen sich auf die Madonna del Carmine, einer in Neapel besonders verehrten Darstellung der Jungfrau Maria.
Assunta (von "Mariä Himmelfahrt") und Immacolata (von der "Unbefleckten Empfängnis") sind weitere Namen mit starkem religiösem Bezug.
Auch Concetta (von "Konzeption"), Luisa, Anna, Rosa und Teresa zählen zu den traditionellen weiblichen Vornamen in der Region Kampanien.
Neapolitanische Familiennamen und ihre Herkunft
Die Familiennamen in Neapel lassen sich in verschiedene Kategorien einteilen, die jeweils unterschiedliche historische und kulturelle Aspekte beleuchten.
Namen mit geografischem Bezug
Viele neapolitanische Nachnamen weisen auf die geografische Herkunft einer Familie hin:
Napolitano (oder Napoletano) bedeutet wortwörtlich "aus Neapel stammend" und ist einer der häufigsten Familiennamen der Region.
Calabrese (aus Kalabrien), Siciliano (aus Sizilien), Romano (aus Rom) oder Sorrentino (aus Sorrent) sind weitere Beispiele für Nachnamen, die die Herkunft aus bestimmten Regionen oder Städten anzeigen.
Auch spezifischere geografische Merkmale können in Nachnamen auftreten: Montagna (Berg), Valle (Tal), Marino (am Meer gelegen) oder Fiume (Fluss).
Berufsbezeichnungen als Familiennamen
Eine weitere große Gruppe bilden Namen, die von traditionellen Berufen abgeleitet sind:
Ferraro (Schmied), Esposito (mit besonderer Geschichte, siehe unten), Marino (Seemann), Pastore (Hirte), Pescatore (Fischer), Sarto (Schneider) und Panettiere (Bäcker) zählen zu den häufigsten.
Der Name Esposito verdient besondere Aufmerksamkeit: Er leitet sich vom italienischen Wort "esposto" (ausgesetzt) ab und wurde Findelkindern gegeben, die an den Drehtüren von Waisenhäusern und Kirchen "ausgesetzt" wurden. Dieser Name ist in Neapel besonders häufig, da die Stadt im 18. und 19. Jahrhundert das größte Findelhaus Europas beherbergte. --> Hier ein ganzer Beitrag zum Namen ESPOSITO.
Patronymische Namen
Viele Familiennamen entstanden aus dem Vornamen des Vaters oder eines bedeutenden Vorfahren:
Di Pietro (Sohn des Pietro), De Luca (von Luca abstammend), Di Paolo (Sohn des Paolo) oder D'Antonio (von Antonio) sind klassische Beispiele.
Die Präfixe "Di", "De" oder "D'" weisen auf diese patronymische Herkunft hin, wobei "De" ursprünglich eher eine adlige Herkunft suggerierte.
Spitznamen als Familiennamen
Einige Nachnamen haben ihren Ursprung in persönlichen Merkmalen oder Spitznamen:
Russo (rothaarig), Bruno (braunhaarig), Piccolo (klein), Grosso (groß), Forte (stark) oder Bianco (weiß, hellhäutig) beschreiben physische Merkmale.
Leone (Löwe), Gallo (Hahn) oder Colombo (Taube) beziehen sich auf Tiere und symbolisieren oft Charaktereigenschaften.
Die seltensten neapolitanischen Namen
Während einige Namen in Neapel allgegenwärtig sind, gibt es auch seltenere Perlen, die besonders interessante kulturelle und historische Hintergründe haben:
Seltene Vornamen
Parthenope ist ein faszinierender weiblicher Name, der auf den ursprünglichen griechischen Namen Neapels zurückgeht. Nach der Legende war Parthenope eine Sirene, die sich aus Liebeskummer ins Meer stürzte und an der Stelle angeschwemmt wurde, wo später Neapel entstand.
Januario, die lateinische Form von Gennaro, ist heute seltener als sein modernes Pendant.
Procolo (vom lateinischen "Proculus") ist ein alter römischer Name, der in Neapel überlebt hat, aber heute nur noch selten vergeben wird.
Masaniello ist ein Name, der eng mit der neapolitanischen Geschichte verbunden ist. Er bezieht sich auf Tommaso Aniello, einen Fischer, der 1647 einen Volksaufstand gegen die spanische Herrschaft anführte.
Ungewöhnliche Familiennamen
Acampora, ein typisch kampanischer Name, hat seine Wurzeln im griechischen "a-kampos" und bedeutet "vom Feld" oder "außerhalb des Feldes".
Cacciapuoti stammt vom neapolitanischen Dialektausdruck für "Brunnenjäger" oder "derjenige, der Brunnen gräbt".
Improta könnte sich vom Lateinischen "in-portare" (hineintragen) ableiten, obwohl die genaue Etymologie umstritten ist.
Scognamiglio hat eine besonders interessante Geschichte: Er bedeutet "ohne Hemd" (scogna = ohne, miglio = Hemd im alten Dialekt) und könnte sich auf besonders arme Familien oder auf Arbeiter beziehen, die bei der Arbeit ihr Hemd auszogen.
Die kulturelle Bedeutung neapolitanischer Namen
Die Namensgebung in Neapel folgt traditionell starken familiären und religiösen Mustern. Früher war es üblich, dass der erstgeborene Sohn nach dem Großvater väterlicherseits benannt wurde, der zweite nach dem Großvater mütterlicherseits und weitere Kinder nach Onkeln oder Tanten. Diese Tradition führte dazu, dass bestimmte Namen in Familien über Generationen hinweg immer wiederkehrten.
Die tiefe religiöse Verbundenheit der Neapolitaner spiegelt sich in der Vorliebe für Namen von Heiligen wider, insbesondere solchen mit lokalem Bezug wie San Gennaro oder der Madonna del Carmine. Auch heute noch werden viele Kinder nach dem Heiligen benannt, an dessen Festtag sie geboren wurden.
Moderne Entwicklungen
Während viele traditionelle Namen weiterhin beliebt sind, zeigt sich in den letzten Jahrzehnten auch in Neapel ein Trend zu internationaleren Namen. Francesco, Matteo, Lorenzo oder Sofia, Giulia und Chiara haben als modernere italienische Namen an Popularität gewonnen.
Gleichzeitig erleben einige alte neapolitanische Namen wie Totò (Kurzform von Antonio), Pino (von Giuseppe) oder Nunzia (von Annunziata) eine Renaissance, da junge Eltern zunehmend die Verbindung zu ihren kulturellen Wurzeln suchen.
Fazit
Die Namen Neapels sind mehr als bloße Bezeichnungen – sie sind lebendige Zeugnisse einer reichen kulturellen Geschichte. Von den griechischen Anfängen über römische, byzantinische, normannische, spanische und bourbonische Einflüsse bis hin zur modernen Zeit haben sich die neapolitanischen Namen kontinuierlich weiterentwickelt und dabei doch ihren unverwechselbaren Charakter bewahrt.
Ob der allgegenwärtige Gennaro, der typische Nachname Esposito oder seltene Perlen wie Parthenope – jeder Name erzählt eine Geschichte und trägt zum kulturellen Erbe dieser einzigartigen Stadt bei. In den neapolitanischen Namen spiegelt sich die Seele einer Stadt, die seit jeher ein Schmelztiegel der Kulturen ist und dabei ihre ganz eigene, unverwechselbare Identität bewahrt hat.
Wer sich für die Geschichte und Kultur Neapels interessiert, findet in der Erforschung seiner Namenslandschaft einen faszinierenden Zugang zu den Traditionen, Werten und historischen Entwicklungen dieser lebendigen mediterranen Metropole.
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